Sehr geehrter Herr Semsrott,
mit Ihrem Antrag nach dem IFG/UIG vom 17.12.2020 haben Sie die Übersendung der "Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zur Bundesstraße
B247 in Thüringen" verlangt. Dabei haben Sie "darauf hin (gewiesen), dass im Hinblick auf das ÖPP-Vergabeverfahren eine besonders zügige Herausgabe des begehrten Dokuments angezeigt ist" und sich "vor (behalten), bei Verzögerung der Beantwortung einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen".
Mit Schreiben vom 22.12.2020 habe ich Sie zu der Frage angehört, ob Sie angesichts der schätzungsweise zu erwartenden gesetzlichen Gebühren in Höhe von 250 Euro, die mit der Erstellung einer teilgeschwärzten Fassung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung verbunden
sind, die Übermittlung einer Fassung mit Schwärzungen der personenbezogenen Daten sowie der Daten, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der privaten Vertragspartner oder die fiskalischen Interessen des Bundes berühren, beantragen wollen.
Dies haben Sie mit E-Mail vom 05.01.2021 im Ergebnis bestätigt.
Ihren Antrag bescheide ich wie folgt:
1. Ich gebe Ihrem Antrag vom 17.12.2020 dahingehend statt, dass ich Ihnen den vWU-Bericht des ÖPP-Projektes B 247, Mühlhausen bis Bad Langensalza — unter Unkenntlichmachung personenbezogener Daten und der Informationen, die die fiskalischen Interessen des Bundes berühren, gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1, 3 UIG - zur Verfügung stelle.
2. Im Übrigen lehne ich Ihren Antrag ab.
3. Für diese Entscheidung werden Gebühren in Höhe von 250 EUR erhoben, die Sie zu tragen haben.
Begründung:
Sie haben die Übersendung der "Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zur Bundesstraße B247 in Thüringen" beantragt. Da Sie auf die Dringlichkeit angesichts des ÖPP-Vergabeverfahrens hingewiesen haben, verstehe ich Ihren Antrag dahingehend, dass Sie die dem Beginn des laufenden Vergabeverfahrens für das ÖPP-Projekt B 247, Mühlhausen bis Bad Langensalza zugrunde liegende vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung übersandt haben möchten.
Gem. § 3 UIG hat jedermann einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen. Was Umweltinformationen sind, regelt § 2 Abs. 3 UIG. Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 5 UIG sind Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung von umweltrelevanten Maßnahmen verwendet werden, Umweltinformationen. Der Zugang zu Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen als sonstigen wirtschaftlichen Analysen richtet sich damit ausschließlich nach dem UIG, wie sich aus § 1 Abs. 3 IFG ergibt.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ist auch informationspflichtige Stelle im Sinne des § 2 Abs. 1 UIG, der Antrag ist deshalb an den richtigen Adressaten gerichtet.
Das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen gem. § 3 UIG wird allerdings in den §§ 8 und 9 UIG eingeschränkt oder ausgeschlossen.
Im vorliegenden Fall greift der Ausschlussgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 3 UIG.
Danach ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, wenn
durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugäng-
lich gemacht würden, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 23.02.2017-7C 31.15, E CLI:DE:BVerwG:2017:230217U7C31.15.0) schützt § 9 Abs. 1 Nr. 3 UIG auch Betriebsgeheimnisse der öffentlichen Hand und schützt damit die fiskalischen Interessen des Bundes in vergleichbarer Weise wie § 3 Nr. 6 IFG.
Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis liegt vor, wenn Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und der Betriebsinhaber ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat, weil die Aufdeckung der Tatsachen geeignet wäre, ihm wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (BVerwG, aaO; BGH, Urt. v. 4.9.2013 - 5 StR 152/13, NStZ 2014, 325 Rn 21; Landmann/Rohmer UmweltR/Reidt/Schiller, 90. EL Juni 2019, UIG § 9 Rn. 20). Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse können insbesondere Informationen über Marktstrategien und Kalkulationsunterlagen sein (Landmann/Rohmer UmweltR/Reidt/ Schiller, 90. EL Juni 2019, UIG § 9 Rn. 21).
Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen beinhalten Annahmen und Einschätzungen der öffentlichen Hand in Bezug auf den Vergleichsmaßstab für die konventionelle Beschaffungsvariante (Public-Sector-Comparator, PSC). Dies betrifft unter anderem Informationen bezüglich der Bau-, Erhaltungs- und Betriebsdienstkosten der PSC-Variante sowie die Risikobeurteilung der öffentlichen Hand. In vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen werden darüber hinaus Annahmen
in Bezug auf die ÖPP-Beschaffungsvariante getroffen.
Die Informationen sind nur einem beschränkten Personenkreis bekannt, der mit der Erstellung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen beauftragt und zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Daneben erhält der Bundesrechnungshof im Rahmen etwaiger Prüfungen Einsicht in Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen.
Der Bund hat ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, da die Kenntnis der genannten Kostenansätze und Annahmen Rückschlüsse der Marktteilnehmer auf die Wirtschaftlichkeitsschwelle der Angebote in dem laufenden Vergabeprozess für das ÖPP-Projekt B 247 bzw. in zukünftigen, gleichgelagerten ÖPP-Vergabeverfahren ermöglicht, was
zu einer Wettbewerbseinschränkung führen könnte.
Die Möglichkeit entsprechender Schlussfolgerungen führt zu einer Gefährdung der mit der Ausschreibung des untersuchungsgegenständlichen Projektes verbundenen fiskalischen Interessen des Bundes, da nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, dass sich die Bieter im Vergabeverfahren an dem in den Untersuchungen enthaltenen Vergleichsmaßstab der konventionellen Realisierung des Vorhabens orientieren und weitere mögliche Potenziale zugunsten des Bundes durch den Wettbewerb nicht mehr erschlossen werden. Zwar verbleibt immer der Wettbewerb der Bieter untereinander, jedoch ist nicht auszuschließen, dass sich ein bestimmtes Marktniveau etabliert, an dem sich der Wettbewerb der Marktteilnehmer insgesamt orientiert.
Ein dem entgegenstehendes und überwiegendes sonstiges öffentliches Interesse an der Bekanntgabe ist nicht ersichtlich. Dafür käme nur ein wann,rm Interesse in Betracht, das über das allgemeine Interesse hinausgeht, das bereits jeden Antrag rechtfertigt. Ein solches ist aber weder vorgetragen, noch sonst erkennbar.
Damit ist die Einsicht in die genannten Informationen gem. § 9 Abs. 1 Nr. 3 UIG abzulehnen und diese sind im Rahmen einer Zugangsgewährung unkenntlich zu machen.
Auf Zugang zu einer derartigen Fassung besteht allerdings ein Anspruch, weswegen ich Ihrem Antrag insoweit stattgebe.
Der darüber hinaus gehende Antrag auf Übersendung einer ungeschwärzten Fassung ist allerdings aus den genannten Gründen abzulehnen.
Die teilweise Unkenntlichmachung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung erforderte ihre Durchsicht und die Vornahme der Unkenntlichmachung durch eine Mitarbeiterin des höheren Dienstes mit einem Zeitaufwand von 1,5 Arbeitstagen. Unter Zugrundelegung des Stundensatzes von 60 Euro/Stunde höherer Dienst, der sich aus der Begründung zur IFG-GebV ergibt und sich ebenfalls in der Internen Arbeitshilfe zur Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes im Bundesministerium des Innern v. 20.12.2005 (Az: BDS - 004 294 - 22/2) findet und auf den mangels spezieller Regelungen im Kontext des UIG hier zurückzugreifen ist, ergeben sich bereits insoweit Kosten von
765 Euro. Hinzu kommen weitere Kosten für die übrige Bearbeitung des Antrags. Insgesamt ergibt sich ein Aufwand, der bezogen auf die von Nr. 1.3 Anlage zu § 1 Abs. 1 UlGGebV erfassten Fälle der Erteilung einer schriftlichen Auskunft bei Herausgabe von Duplikaten, bei denen im Einzelfall zum Schutz öffentlicher oder privater Belange in zahlreichen Fällen Daten ausgesondert werden müssen, im zumindest mittleren Bereich liegt. Dementsprechend sind Gebühren in der Mitte des Gebührenrahmens, d. h. in Höhe von 250 Euro zu erheben.
Gründe für die Annahme, dass durch die ermittelten Gebühren die Inanspruchnahme des Informationsrechts aus § 3 Abs. 1 UIG erschwert oder verhindert wird, sind nicht ersichtlich. Insbesondere die Tatsache, dass Sie im Rahmen der Anhörung wegen der zu erwartenden Kosten Ihren Antrag aufrechterhalten haben, spricht für das Gegenteil.
Bitte überweisen Sie den Betrag i.H. von 250 EUR innerhalb eines
Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheides an das Bundesministeri-
um für Verkehr und digitale Infrastruktur, BIC: MARKDEF1860,
IBAN: DE38 8600 0000 0086 0010 40 bei der BBk Leipzig. Bitte geben Sie als Verwendungszweck unbedingt das folgende Kassenzeichen an: 1180 0525 0060.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Invalidenstraße 44, 10115 Berlin einzulegen.
Mit freundlichen Grüßen