Sehr geehrter Herr Semsrott,
auf Grund Ihres Widerspruchs vom 8. Oktober 2021 gegen den Bescheid des Auswärtigen Amts vom 5. Oktober 2021, hier eingegangen am 12. Oktober 2021, ergeht folgender
Widerspruchsbescheid:
1. Der Widerspruch wird zurückgewiesen.
2. Als Widerspruchsführender haben Sie die Kosten des Widerspruchs zu tragen. Die Widerspruchsgebühr wird auf 30 Euro festgesetzt.
Zum Sachverhalt: Mit Schreiben vom 20.09.2021 hatten Sie das Auswärtige Amt um Zugang zu folgenden Informationen gebeten:
"Sämtliche SMS sowie WhatsApp-, Signal- oder Telegram-Nachrichten, die Minister Maas im Zeitraum vom 1. März 2021 bis 31. August 2021 empfangen oder versendet hat und die die Lage in Afghanistan (insbesondere Vormarsch der Taliban, etwaige Evakuierungen) betreffen."
Ihren Auskunftsanspruch haben Sie auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestützt.
Das Auswärtige Amt hat mit Bescheid vom 18. Oktober 2021 einen Informationszugang abgelehnt und dies damit begründet, dass die von Ihnen begehrten Informationen nicht als amtliche Informationen im Sinne des IFG gelten.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2021 haben Sie gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt.
1. Zur rechtlichen Wertung: Ihr fristgerecht erhobener Widerspruch ist zulässig, nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage aber unbegründet.
Der Zugangsanspruch nach IFG ist auf amtliche Informationen beschränkt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG). Amtliche Information ist nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 1 IFG Satz 1 "jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. "
Auf einem Smartphone vorhandene Nachrichten stellen in diesem Sinne keine amtlichen Informationen dar.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2021 — BVerwG 10 C 3.20 — setzt sowohl die Speicherung auf einem Aufzeichnungs- und Speichermedium voraus als auch die Finalität der Aufzeichnung, amtlichen Zwecken zu dienen. Vorliegend fehlt es an beidem:
1. Ein Smartphone ist kein Speichermedium
Zwar ist der Begriff der Aufzeichnungs- und Speicherungsmedien weit auszulegen und umfasst auch digitale Medien. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4493) verweist aber auf S. 8 f. auf solche Speichermedien, deren ausdrückliche Zweckbestimmung die Aufzeichnung ist (Magnetbänder, Magnetplatten, Disketten, CD-ROMs, DVDs). Auch unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts bei der Weiterentwicklung bestehende und Entwicklung neuer Speichermedien (z.B. USB-Sticks) ist zu berücksichtigen, dass sich ein Speichermedium dadurch auszeichnet, dass es auf unterschiedlichen Peripheriegeräten ausgelesen werden kann, ggfs. auch unter Nutzung unterschiedlicher Software. So können z.B. PDF-Dateien sowohl auf unterschiedlichen Einzelgeräten mit ganz unterschiedlichen Betriebssystemen ausgelesen werden. Nachrichten im Datenspeicher eines Smartphones befinden sich aber noch nicht auf einem solchen Datenträger. Sie können nur auf dem jeweiligen Smartphone ausgelesen werden.
Das Smartphone ist in erster Linie ein Eingabe- und Lesegerät. Dass es über einen Datenspeicher verfügt, macht es noch nicht zum Speichermedium. Auch bei privater Kommunikation würde kein mündiger Nutzer Dokumente, die für eine spätere Verwendung aufzubewahren sind, auf einem Smartphone speichern. Abgesehen von der Gebundenheit an eine Plattform besteht auch ein weitaus höheres Risiko des Verlusts oder der Beschädigung als bei den genannten Speichermedien. Für eine spätere Verwendung vorgesehene Dokumente würden immer exportiert und auf einem anderen Medium gespeichert.
2. Fehlende Speicherung zu amtlichen Zwecken
Aus dem Gesetzestext ergibt sich, dass die Aufzeichnung, unabhängig von der Art der Speicherung, zu amtlichen Zwecken stattgefunden haben muss. Eine Speicherung mit Zweckbestimmung ist aber denklogisch nur möglich, wenn die Speicherung bewusst vorgenommen wird.
Selbst dann, wenn man — abweichend von der hier vertretenen Ansicht — einem Smartphone die Eigenschaft eines Speichermediums zubilligt, erfüllt die Speicherung im Datenspeicher eines Smartphones während eines Austauschs von Nachrichten nicht das Kriterium amtlicher Information im Sinne des §1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Denn eine solche Aufzeichnung erfordert die Bestimmung, amtlichen Zwecken zu dienen (§ 2 Nr. 2 Satz 1 IFG). Die Speicherung zum Nachrichtenaustausch erfolgt bei einem Smartphone jedoch automatisch. Eine Zweckbestimmung ist bei einer automatischen Speicherung nicht möglich. Die Tatsache, dass sich eine Nachricht im Datenspeicher eines Smartphones befindet, ist also auch dann nicht mit einer amtlichen Aufzeichnung gleichzusetzen, wenn man — entgegen der hier vertretenen Ansicht — als ein Speichermedium ansieht.
3. Weder subjektive noch faktische Aufzeichnung bei Nutzung eines Smartphones
Eine Aufzeichnung ist nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2021 — BVerwG 10 C 3.20 — zum einen subjektiv, also als faktische Einzelentscheidung, als auch objektiv, also dann, wenn nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Aktenführung geboten, denkbar. Für beide Arten der Aufzeichnung ist jedoch, wenn sich die Information auf einem Smartphone befindet, die Datenübermittlung zum Zweck der Weiterverarbeitung mit einem anderen Programm, erforderlich.
Ein Zugang nach dem IFG könnte dann allenfalls zu den übermittelten Daten bestehen. Die auf dem Endgerät selbst vorhandene Nachricht kann nicht Gegenstand eines Auskunftsanspruchs nach dem IFG sein; allenfalls die Verkörperung, die sie durch Eingabe in den Vorgang gefunden hat.
Beispiele wären eine nach Kopieren und Einfügen per Emailprogramm weitergeleitete SMS, ein in einem Emailprogramm weitergeleiteter Screenshot oder ein Vermerk, mit dem mündliche Anweisungen des Empfängers als Reaktion auf eine Textnachricht aufgenommen und in den Geschäftsgang gegeben wurden.
Dies steht auch im Einklang mit der Ansicht, die die damalige Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in ihrem Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2012 und 2013 zu SMS geäußert hatte:
"Ein Informationszugang auf (noch) im Endgerät gespeicherte, noch nicht 'veraktete' Kommunikation ist (...) nach dem IFG nicht geboten."
- Bundesbeauftrage für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit
für die Jahre 2012 und 2013, S. 62
4. Keine Aufzeichnungspflicht
Ihren Widerspruch begründen Sie damit, dass die Frage einer Veraktung nicht relevant sei. Es handele sich um Kommunikation des Ministers. Weiter behaupten Sie, dass eine ordnungsgemäße Veraktung nicht stattgefunden habe. Im Einzelnen begründen Sie dies nicht.
Diese Einlassung wird hier so verstanden, dass Sie der Ansicht sind, Kommunikation des Ministers sei in jedem Fall zu amtlichen Zwecken aufzuzeichnen.
Oben wurde dargelegt, dass die IFG-Pflichtigkeit einer Nachricht erst dann entstehen kann, wenn diese Teil eines Vorgangs wird, und dann in der Form, in der sie Eingang in einen Vorgang gefunden hat.
Eine grundsätzliche Veraktung sämtlicher Kommunikation des Ministers, anknüpfend an der Form und nicht am Inhalt, ist nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Aktenführung nicht vorgesehen.
Eine entsprechende Vorschrift kennt die Aktenführung nicht. Das Bundesverwaltungsgericht weist in seiner Entscheidung vom 28. Oktober 2021 — 10 C 3.20 — ausdrücklich darauf hin, dass sogenannten Weglegesachen keine Aktenrelevanz zukommt. Es ist also möglich, dass eine Kommunikation unterhalb der Schwelle stattfindet, die zur Veraktung verpflichtet. Es wäre lebensfern, diesen Grundsatz ausgerechnet für solche Kommunikation aufzuheben, die, wie die Kommunikation über ein Smartphone, originär einen flüchtigen Charakter aufweist. In letzter Konsequent müsste dann auch über jedes Gespräch, das der Minister — zum Beispiel am Rande einer Veranstaltung — führt, ein Vermerk gefertigt werden.
Der Gedanke, auch flüchtige Kommunikation nach dem IFG zugänglich zu machen, würde im Übrigen den Zeitpunkt des Informationszugangs auf unzulässige Weise zeitlich nach vorn verlagern. Wille der Gesetzgebenden war es, behördliche Entscheidungen transparent zu machen (BT-Drs. 15/4493, S. 6), nicht die Gedankengänge einzelner Personen so detailliert abzubilden, dass man sich an deren Stelle versetzen kann. So sind z.B. Entwürfe und Notizen ausdrücklich vom Informationszugang ausgenommen (§ 2 Nr. 1 IFG).
Nach alledem kann auch bei erneuter Prüfung kein Informationszugangsanspruch entsprechend Ihres Antrags gesehen werden.
III.
Die Kostenentscheidung nach § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO ergeht gemäß § 80 VwVfG.
Die Gebührenentscheidung beruht auf § 10 IFG i. V. m. § 1 Abs. 1 der Informationsgebührenverordnung (IFGGebV). Entsprechend Nr. 5 der Anlage zu §1 Abs. 1 IFGGebV ist bei vollständiger oder teilweiser Zurückweisung des Widerspruchs eine Gebühr von mindestens 30 Euro zugrunde zu legen. Hier ist eine Gebühr von 30 Euro festgelegt worden.
Bitte überweisen Sie die Widerspruchsgebühr in Höhe von 30,00 EUR innerhalb eines Monats auf das Konto der Bundeskasse:
Deutsche Bundesbank, Filiale Leipzig
BLZ 86000000
Konto Nr. 86001040
BIC: MARKDEF1860
IBAN: DE38 8600 0000 0086 0010 40
Unter Verwendungszweck geben Sie bitte an: Kassenzeichen 880801014595, 505-511 E 259-2021 IFG
Mit freundlichen Grüßen