Der Kläger hat gegen die Beklagte einen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG folgenden Anspruch darauf, dass ihm die schriftlichen Vereinbarungen der Bundeswehr mit den YouTube-Stars „RealChris Tezz“, „MarcBrade TV“ und „Joyce Ilg“ zur Konferenz gamescom, wie berichtet auf der Bundeswehr-Facebookseite (
https://www.facebook.com/Bundeswehr) am 17. August 2016, zur Verfügung gestellt werden. Der ablehnende Bescheid vom 19. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Bundesministeriums der Verteidigung vom 2. Januar 2017 ist daher rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I. Anspruchsvoraussetzungen
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat „jeder“ gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.
1. Behörde des Bundes
Bei dem Bundesministerium der Verteidigung handelt es sich um eine Be-hörde des Bundes im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes (vgl. BVerwG, Urt. v. 3. November 2011, Az. 7 C 3/11, Rn. 10 – Juris).
2. Amtliche Information
Die mit E-Mail vom 21. August 2016 angefragten Informationen sind auch „amtliche Informationen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 IFG.
II. Nichtvorliegen eines Ausnahmetatbestands
Dem Auskunftsanspruch des Klägers steht auch kein gesetzlicher Ausnah-metatbestand entgegen.
1. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Insbesondere steht dem Anspruch nicht der § 6 Satz 2 IFG entgegen, wo-nach Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden darf, soweit der Betroffene eingewilligt hat.
Als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gelten nach ständiger Recht-sprechung der Verwaltungsgerichte aller Instanzen
„(…) alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem be-grenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen (…)“
(BVerwG NVwZ 2009, 1113, 1114 unter Bezugnahme auf BVerfGE 115, 205, 230; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 2. Oktober 2007, Az. OVG 12 B 9.07, Rn. 41 – Juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7. Juni 2012, Az. OVG 12 B 34.10, Rn. 36 f. – Juris; VG Berlin, Urt. v. 11. November 2010, Az. 2 K 35.10, Rn. 32 – Juris; jew. m.w.N.).
Das berechtigte Interesse an der Nichtverbreitung setzt weiter voraus, dass
„(…) die Offenlegung geeignet ist, exklusives technisches oder kauf-männisches Wissen dem Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Marktposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen oder die Veröffentlichung geeignet ist, wirtschaftlichen Schaden zuzu-fügen (BVerwG NVwZ 2009, 1113 (1114), vgl. auch BGHSt 41, 140 (142))
(OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7. Juni 2012, Az. OVG 12 B 34.10, Rn. 36 f. – Juris).
Dabei reicht es nicht aus, wenn ein bestimmter Umstand schlichtweg als Geschäftsgeheimnis deklariert wird. Die Annahme eines solchen Geheim-nisses muss vielmehr plausibel gemacht werden:
„Ob ein solches Interesse vorliegt, muss durch den Betroffenen so plau-sibel gemacht werden, dass unter Wahrung des Geheimnisses ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen der in Frage stehenden Information und der Möglichkeit eines Wettbewerbsnachteils etabliert wird. Die bloße Behauptung, dass ein Geschäftsgeheimnis vorliege, reicht dagegen nicht aus. Andernfalls könnte ein Betroffener ohne jede Rechtfertigung über die Anwendung des gesetzlichen Tatbestandes verfügen.“
(OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7. Juni 2012, Az. OVG 12 B 34.10, Rn. 36 f. – Juris; Unterstreichung nur hier).
Da es keinen „Markt“ für die Etablierung eines Bundeswehr-Snapchat-Kanals auf der Spielemesse „gamescom“ und dessen Bewerbung gibt, hat die Angabe der Gesamtvergütung von vornherein keine Wettbewerbsrelevanz. Es gibt auch keine Marktkonkurrenten, denen hier etwas zugänglich gemacht werden könnte. Das Ministerium hat die Leistung freihändig ver-geben, es handelte sich dabei um einen singulären Vorgang hinsichtlich einer speziellen Veranstaltung. Dass das Ministerium anderweitige Angebote eingeholt hätte, hat die Beklagte bislang nicht geltend gemacht. Insoweit ist schon gar keine Wettbewerbssituation gegeben.
Es ist daher schwerlich nachvollziehbar, wenn die Beklagte im Wider-spruchsbescheid die Befürchtung äußert, die Bereitstellung der Verträge könne „zu einer Förderung der Wettbewerbsposition der Konkurrenten führen“. Das Ministerium hat ja überhaupt nicht geltend gemacht, dass es für die fragliche Leistung überhaupt irgendwelche Konkurrenten gibt. Das Ministerium hat ja gerade diese drei YouTube-Stars beauftragt, weil sie sich von deren Persönlichkeit und deren Ansehen beim Publikum eine beson-dere Werbewirkung versprochen hat. Dass es weitere YouTube-Stars gibt, die gleichermaßen für eine Bewerbung des Bundeswehr-Snapchat-Kanals auf der Spielemesse „Gamescom“ geeignet wären, hat die Beklagte noch nicht einmal behauptet.
Sollte noch einmal die Bewerbung des Bundeswehr-Snapchat-Kanals auf der Spielemesse „Gamescom“ erforderlich werden, so ist nicht anzunehmen, dass das Ministerium dieses Mal vor der Vergabe Angebote diverser anderer YouTube-Stars einholen würde. Um einen Vergleich zu bemühen: Wer möchte, dass auf der eigenen Geburtstagsparty Elton John singt, der wird halt Elton John buchen und sich nicht vorher noch ein Vergleichsangebot bei Bushido einholen. Daher ist die wirtschaftliche Augsangsposition der YouTube-Stars mit denen eines Monopolunternehmens vergleichbar. Für Monopolunternehmen ist aber anerkannt, dass diese sich im Regelfall mangels Wettbewerbssituation nicht auf § 6 Satz 2 IFG berufen können (Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 6, Rn. 94 m.w.N.).
Zudem ist nicht anzunehmen, dass aus den Verträgen ersichtlich ist, wie sich die dort vereinbarten Preise zusammensetzen. Jedenfalls hat das Mi-nisterium dies nicht behauptet. Aus der bloßen Information hinsichtlich der Gesamtvergütung kann aber nicht auf eine konkrete Kalkulation geschluss-folgert werden. Der Endpreis als solcher ist kein Geschäftsgeheimnis, son-dern notwendigerweise dazu bestimmt, den Marktteilnehmern zur Kenntnis zu gelangen. Weder ergibt sich aus der Gesamtvergütung der vereinbarte Leistungsumfang, noch die Höhe des Stundensatzes, noch das eingesetzte Material, Personal oder die vereinbarte Haftung. Ohne diese Parameter kann ein Mitbewerber aus der bloßen Zahl der Gesamtvergütung keinerlei Schlussfolgerungen ziehen, die es ihm ermöglichen, ein eigenes, günstigeres Angebot zu formulieren. Letztlich ist ja gerade die Tätigkeit der sogenannten „YouTube“-Stars eine, die völlig willkürlich vergütet wird. Es ist ja nicht so, dass diese Stars Material einkaufen, Fabriken und Maschinen betreiben, Arbeitnehmer vergüten und dann einen Endpreis kalkulieren müssten. Vielmehr können sie ihre Gagen mehr oder minder frei festsetzen.
Insofern ist es auch bezeichnend, dass das Ministerium auf die Gefahr ver-weist, dass sich der „Marktwert“ der YouTube-Stars vermindern könnte, würden die Informationen herausgegeben (S. 5 des Widerspruchsbescheids). Tatsächlich dürfte hier des Pudels Kern liegen: Transparenz sorgt im Markt für sinkende Preise, weil eine Vergleichbarkeit hergestellt wird. Solange diese Transparenz nicht besteht, können die sogenannten „Stars“ für ihre Auftritte im Grunde jeden Preis verlangen. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb sich die „Stars“ so gegen die Offenlegung der Vereinbarungen mit dem Ministerium sträuben. Die Kontrolle darüber, wie die öffentliche Hand mit ihren finanziellen Mitteln umgeht, liegt aber inmitten des Zwecks des Informationsfreiheitsgesetzes (BT-Drs. 15/4493, S. 6).
Hinzu tritt, dass nach der Rechtsprechung schon wegen des Zeitablaufs erhöhte Anforderungen an die Darlegung eines Geschäftsgeheimnisses zu stellen sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. März 2016, Az. BVerwG 7 C 2.15, Rn. 35; OVG Berlin-Brandenburg, 7. Juni 2012, Az. 12 B 34.10, Rn. 38 – Juris; zur zeitlichen Komponente insbes. auch: VG Köln, Urt. v. 25. Februar 2016, Az. 13 K 5017/13; VG Berlin, Urt. v. 19. Juni 2014, Az. VG 2 K 221.13, Rn. 54 – Juris). Im hier gegebenen Fall bezieht sich der Vertrag auf das vergangene Jahr. Angesichts der Schnelllebigkeit der Branche (bezeichnenderweise liegt der Witz bei „Snapchat“ darin, dass die dort veröffentlichten Nachrichten nach wenigen Minuten wieder unsichtbar werden), ist nicht anzunehmen, dass eine Vereinbarung aus dem vergangenen Jahr wettbewerbsrelevanten Rückschlüsse für künftige Veranstaltungen zulassen würde. Eine wettbewerbliche Relevanz dürfte schon deshalb ausfallen.
2. Vertraulichkeitsvereinbarung
Soweit der Beklagte eine Vertraulichkeitsvereinbarung (S. 4 des Wider-spruchsbescheids) ins Feld führt, ist dies nicht erheblich. Eine solche Ver-traulichkeitszusage ist nicht geeignet, den Anspruch auf Informationszu-gang einzuschränken. Das Gesetz erkennt eine solche Zusage nicht als Ausnahmetatbestand an. Jenseits gesetzlicher Ausnahmetatbestände kann eine solche Zusage das Recht Dritter auf Informationszugang nicht ein-schränken, andernfalls läge ein (stets unzulässiger) Vertrag zu Lasten Dritter vor. Dies hat nicht nur kürzlich das Bundesverwaltungsgericht so ent-schieden (BVerwG, Urt. v. 17. März 2016, Az. BVerwG 7 C 2.15, Rn. 36), auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist dies schon lange anerkannt:
„Die Beklagte kann sich auch nicht in genereller Weise den gesetzlichen Pflichten zur Erteilung von Auskünften dadurch entziehen, dass sie im Verhältnis zu den betroffenen Dritten jenen vertraglich oder auf andere Weise Vertraulichkeit zusichert. Die gesetzliche Pflicht zur Gewährung von Einsicht in umweltrelevante Daten kann durch zivilrechtliche Vereinbarungen nicht umgangen werden (§ 134 BGB).“
(VGH Kassel, Beschl. v. 31. Oktober 2013, Az.: 6 A 1734/13.Z, Rn. 23 – Juris; ), sowie:
„Sonstige vertragliche Regelungen, die den Informationszugangsan-spruch der Klägerin in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich und wären im Rahmen einer privatrechtlichen Verein-barung ohnehin gemäß § 134 BGB nichtig, da es grundsätzlich rechtlich nicht möglich ist, den Anwendungsbereich des IFG und ein sich daraus ergebendes Informationszugangsrecht über die Ausnahmevorschriften des IFG hinaus durch vertragliche Vereinbarung zu beschränken (vgl. Berger/Roth/Scheel, IFG Kommentar zu § 1 Rdnr. 83).“
(VG Stuttgart, Urt. v. 17. Mai 2011, Az. 13 K 3505/09, Rn. 70 – Juris).
Gründe, weshalb die Informationen gleichwohl einem gesetzlichen Ver-traulichkeitsschutz unterfallen könnten sind nicht erkennbar.