Namens und in als Anlage K 1 beigefügter Vollmacht des Klägers erheben wir
Klage
und werden beantragen,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Februar 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2018 zu verpflichten, dem Kläger Einsicht zu gewähren in,
1. den Testbericht des Sicherheitsaudits für das besondere elektronische Anwaltspostfach-System, das im Jahr 2015 von der Firma SEC Consult durchgeführt wurde,
2. den Testbericht des Penetrationstests für das besondere elektronische Anwaltspostfach-System, der im Jahr 2016 von der Atos IT Solutions and Services GmbH durchgeführt wurde,
3. die Verträge der Beklagten mit Atos IT Solutions and Services GmbH zur Entwicklung und zum Betrieb des besonderen elektronischen Anwaltspost-fach-Systems
mit Ausnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Einer Übertragung und Entscheidung des Rechtsstreits durch den/die Einzelrichter/in stehen keine Gründe entgegen (§ 6 VwGO).
Mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter sind wir einverstanden (§ 87a Abs. 3 VwGO).
A. Sachverhalt
Der Kläger begehrt Einsicht in Unterlagen zu den im Antrag bezeichneten Vorgängen zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA).
Mit Schreiben vom 13. Februar 2018 wandte sich der Kläger über das Portal FragDenStaat.de an die Bundesrechtsanwaltskammer (im Folgenden: BRAK bzw. Beklagte) und bat um Übersendung der Resultate des Sicherheitsaudits des beA-Systems, das im Jahr 2015 von der Firma SEC Consult durchgeführt wurde, die Resultate des Penetrationstest des beA-Systems, das im Jahr 2016 von der Firma Atos IT Solutions and Services GmbH (im Folgenden: Atos) durchgeführt wurde sowie um Einsicht in sämtliche Verträge der BRAK mit Atos zum beA-Systems. Der Kläger begehrte ausdrücklich keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.
- Kopie der Antragsschrift vom 13. Februar 2018 anbei (Anlage K 2) -
Mit Bescheid vom 28. Februar 2018 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab.
- Kopie des Ablehnungsbescheids vom 28. Februar 2018 anbei (Anlage K 3) -
Zur Begründung der Ablehnung führte die Beklagte aus, dass eine Einwilligung der Unternehmen SEC Consult und Atos zur Akteneinsicht durch Dritte nicht vorläge. Die begehrten Unterlagen enthielten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und seien als „streng vertraulich“ gekennzeichnet. Die Beklagte unterliege zudem vergaberechtlichen Geheimhaltungspflichten.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte unter Verweis auf die im Ablehnungsbescheid angeführten Gründe mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2018 zurück, sodass nunmehr Klage geboten ist.
- Kopie des Widerspruchs vom 2. März 2018 anbei (Anlage K 4) -
- Kopie des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2018 anbei (Anlage K 5) -
B. Rechtliche Würdigung
Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
I. Zulässigkeit
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 VwGO statthaft.
Insbesondere stellt die behördliche Entscheidung der Beklagten über die Erteilung der Informationen einen Verwaltungsakt dar. Dass die Entscheidung über das Informationsgesuch als Verwaltungsakt ergeht, ergibt sich aus § 9 Abs. 4 IFG: Die dort genannte Verpflichtungsklage setzt einen Verwaltungsakt begriffsnotwendig voraus (VG Berlin, Urteil vom 02. September 2016 – 2 K 87.15 –, Rn. 20, juris; Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, § 9 Rn. 9).
II. Begründetheit
Der hier angegriffene ablehnende Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 31. Mai 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Der Kläger hat Anspruch auf den noch nicht gewährten Informationszugang gemäß seinem Antrag vom 13. Februar 2018.
Gemäß § 1 Abs. 1 IFG hat jede Person nach Maßgabe des IFG Anspruch auf freien Zugang zu Informationen, über die eine informationspflichtige Stelle i.S.v. § 1 Abs. 1 IFG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Der Kläger ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG als natürliche Person („jeder“) anspruchsberechtigt.
1. Bestehen eines Zugangsanspruchs
Die beklagte BRAK ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und als Teil der mittelbaren Bundesverwaltung informationspflichtige Stelle i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 IFG (Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 166). Sie untersteht gemäß § 176 Abs. 2 BRAO der Staatsaufsicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Als im Gefüge der Art. 86 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 und Art. 87 Abs. 3 GG zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben des Bundes errichtete bundesunmittelbare Körperschaft handelt es sich begrifflich um eine Behörde nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG (OVG, Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Mai 2017 – OVG 12 N 72.16 –, Rn. 4, juris). Die begehrten Informationen sind im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenerfüllung der BRAK (hier: Unterstützung der elektronischen Kommunikation der Rechtsanwälte mit Gerichten, Behörden und sonstigen Dritten, § 177 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) angefallen und dienen damit amtlichen Zwecken i.S.v. § 2 Nr. 1 IFG (vgl. VG Berlin, Urteil vom 02. September 2016 – 2 K 87.15 –, Rn. 23, juris).
2. Keine Ausschlussgründe
Dem Anspruch des Klägers auf Zugang zu den betreffenden Inhalten stehen keine Ausschlussgründe entgegen. Die Darlegungslast liegt insofern bei der Beklagten (VG Berlin, Urteil vom 02. Juli 2015 – 2 K 82.13 –, Rn. 24, juris). Vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG obliegt es der informationspflichtigen Stelle, das Vorliegen von Ausschlussgründen plausibel darzulegen. Dabei
„müssen die Angaben nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft werden kann“
(VG Berlin, Urteil vom 02. Juli 2015 – 2 K 82.13 –, Rn. 24, juris)
Diese Anforderungen hat die Beklagte nicht erfüllt.
a. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Wie der Kläger bereits in seinem Antrag vom 13. Februar 2018 mitgeteilt hat, begehrt er nicht die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Nach der Vorschrift des § 6 S. 2 IFG kann der Informationszugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Eine Einwilligung seitens der betroffenen Unternehmen SEC Consult und Atos liegt nicht vor.
aa. Allgemeine Darlegungsanforderungen
Nach dem gesetzgeberischen Willen sind die Ausnahmetatbestände des IFG eng auszulegen (BT-Drs. 15/4493, S. 9; vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. November 2010, Az. 7 B 43/10, Rn. 12, juris). Pauschale Verweise auf Ausschlussgründe sind unzulässig. Das Gericht muss in die Lage versetzt werden, das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses festzustellen. Liegen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse tatsächlich vor, sind diese zu schwärzen. Schwärzungen sind restriktiv vorzunehmen. Es darf nicht völlig unklar bleiben, worum es in den geschwärzten Abschnitten grundsätzlich geht. Pauschale Verweise, die nicht erkennen lassen, auf welchen Teil des Dokuments sie sich beziehen, sind unzulässig. Inhaltliche Erläuterungen müssen so konkret sein, dass eine Prüfung des Ausschlussgrundes ermöglicht wird (vgl. VG Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2017, 2 K 236.16, Rn. 64, juris). Dies bedeutet, dass die Beklagte „Seite für Seite“ und „Blatt für Blatt“ (ggf. unterteilt nach Absätzen und „Wort für Wort“) darzulegen hat, warum der Ausschlussgrund der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorliegt.
bb. Tatsächliches Vorliegen von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen
Betriebs- und Geschäftsgeheimnis sind allgemein alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen vor allem technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt danach neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087, 2111.03 - BVerfGE 115, 205 [230 f.]; BVerwG, Beschluss vom 28. Mai 2009 - BVerwG 7 C 18.08 -, juris, Rn. 12 f.). Zu unterscheiden ist also zwischen exklusivem und nicht-exklusivem Wissen. Nur exklusives Wissen kann überhaupt ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellen. Außerdem ist zu fordern, dass die begehrten Informationen aktuell bzw. gleichwohl (noch) betriebsrelevant sind (vgl. VG Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2017, 2 K 236.16 – Rn. 64, juris; Urteil vom 02. September 2016 – 2 K 87.15 –, Rn. 32, juris).
(1) Klageantrag zu 1)
Im Rahmen des Klageantrags zu 1) begehrt der Kläger Einsicht in die Ergebnisse eines Sicherheitsaudits (Maßnahmen zur Risiko- und Schwachstellenanalyse des beA-Systems), das durch die Firma SEC Consult im Jahr 2015 durchgeführt wurde. Die Beklagte behauptet, bei den begehrten Informationen handele es sich komplett um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Firmen SEC Consult und Atos. Beide Firmen haben der Informationsherausgabe laut Auskunft der Beklagten ausdrücklich widersprochen.
(a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht überzeugend dargelegt
Die Begründung der Beklagten für das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 6 S. 2 IFG überzeugt nicht. Die Beklagte beschränkt sich darauf, Ziel und Ausführung des Tests grob zu beschreiben (dies war allerdings nicht Gegenstand des klägerischen Antrags) und teilt lediglich mit, dass das „Ergebnis der Tests war, dass das beA-System ein hohes Sicherheitsniveau aufweist“. Dies wird dem Begehren des Klägers (Einsicht in das gesamte Dokument, das die Testergebnisse enthält) nicht gerecht.
Aus welchen Gründen es sich bei den Ergebnissen des Sicherheitstests um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln soll, hat die Beklagte nicht im Ansatz dargelegt. Sie belässt es bei einem pauschalen Verweis auf § 6 S. 2 IFG. Die Beklagte führt aus, dass die Ergebnisse des Sicherheitsaudits, die der Kläger herausverlangt, vollumfänglich der Vertraulichkeit unterliegen und daher eine Teilschwärzung nicht in Betracht käme (siehe Widerspruchsbescheid S. 3). Warum es sich bei dem Inhalt des Testberichts überhaupt um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln soll, ist nicht plausibel; Ergebnisse dürften keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellen. Informationen über kaufmännisch relevantes Wissen scheint ein Sicherheitstest nicht zu enthalten. Sollte der Testbericht Rückschlüsse auf einzelne für Konkurrenten relevante technische Details zulassen, wären jedenfalls Teilschwärzungen möglich. Es erscheint grundsätzlich auch nicht überzeugend, dass in einem Testbericht eines Sicherheitsaudits für ein System, das auch als „Sicherheitsdesaster“ bezeichnet wird (vgl. Lorenz/Dülpers, Desaster beim Anwaltspostfach – Ist das beA noch zu retten?, Legal Tribune Online vom 28. Dezember 2017, abrufbar unter:
https://www.lto.de/recht/juristen/b/bea…, letzter Zugriff am 14. Juni 2018) und möglicherweise zu einer Schadenersatzforderung im zweistelligen Millionenbereich führt, für Konkurrenten relevante Details vorhanden sind. Das Vorgehen der Beklagten macht vielmehr Eindruck, dass man den Testbericht geheim halten möchte.
Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Unterlagen hat. Dieses muss aber
„durch den Betroffenen so plausibel gemacht werden, dass unter Wahrung des Geheimnisses ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen der in Frage stehenden Information und der Möglichkeit eines Wettbewerbsnachteils etabliert wird. Die bloße Behauptung, dass ein Geschäftsgeheimnis vorliege, reicht dagegen nicht aus. Andernfalls könnte ein Betroffener ohne jede Rechtfertigung über die Anwendung des gesetzlichen Tatbestandes verfügen.“
(OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7. Juni 2012, Az. OVG 12 B 34.10, Rn. 37 – Juris).
Hinsichtlich des Klageantrags zu 1) hat die Beklagte keinerlei Ausführungen zu einem etwaigen berechtigten Geheimhaltungsinteresse gemacht.
(b) Unbeachtlichkeit der Kennzeichnung als „streng vertraulich“
Auch insoweit die Beklagte vorbringt, dass das im Auftrag erstellte Gutachten als „streng vertraulich“ gekennzeichnet sei, kann den Ausschlussgrund des § 6 S. 2 IFG nicht begründen. In den Verträgen der Beklagten mit Atos sei geregelt, dass alles vertraulich zu behandeln sei, was als solches gekennzeichnet ist.
Mit dem Hinweis der Beklagten auf die Klassifizierung der Dokumente als „streng vertraulich“ wird allenfalls verdeutlicht, dass Atos mit einer Offenlegung der Dokumente nicht einverstanden ist (vgl. VG Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2017, 2 K 236.16, Rn. 61; vgl. Guckelberger, in: BeckOK InfoMedienR, IFG, § 6 Rn. 24, beck-online). Die Kennzeichnung ändert aber nichts daran, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegen müssen. Ist dies nicht der Fall, dürfen die betreffenden Umstände trotz Kennzeichnung nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse behandelt werden
Das IFG kann nicht durch vertragliche Vereinbarungen abbedungen werden; entsprechende Abreden sind nach § 134 BGB bzw. § 54 Satz 1 2. Hs. VwVfG nichtig (Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, § 6 Rn. 107). Vertraulichkeitsvereinbarungen zwischen der Beklagten und den beauftragten Firmen können nicht als ungeschriebener Ausnahmetatbestand anerkannt werden. Dies würde dazu führen, dass ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte. Der Informationsfreiheitsanspruch steht aber nicht zur Disposition informationspflichtiger Stellen und Dritter. Er kann daher vertraglich nicht abbedungen werden (Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, Vorb. §§ 3-6, Rn. 35; vgl. auch Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2006 und 2007, S. 57).
(c) Zwischenergebnis
Im Ergebnis können die pauschale Aussagen der Beklagten zum Klageantrag zu 1) und der Verweis auf die Kennzeichnung als „streng vertraulich“ den Ausschlussgrund des § 6 S. 2 IFG nicht begründen.
(2) Klageantrag zu 2)
Auch hinsichtlich der Ergebnisse des Penetrationstest des beA-Systems, der im Jahr 2016 von der Firma Atos durchgeführt wurde, liegt keine Einwilligung vor. Die Beklagte hat nicht im Ansatz dargelegt, warum es sich bei den Testberichten um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handeln sollte. Der pauschale Verweis auf die fehlende Einwilligung und die Norm des § 6 S. 2 IFG wird den Anforderungen, die an die Darlegung des Ausschlussgrundes gestellt werden, nicht im Ansatz gerecht. Es wird auf die obigen Ausführungen zum Klageantrag zu 1) verwiesen.
(3) Klageantrag zu 3)
Hinsichtlich des Klageantrags zu 3) teilt die Beklagte lediglich mit, dass sie zwei Verträge mit der Firma Atos geschlossen habe. Dies sei zum einen ein „Vertrag über die Erstellung beziehungsweise Anpassung von Software“ (EVB IT-Erstellungsvertrag) zur Entwicklung der Software und zum anderen ein „Vertrag über den Betrieb des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs" (Betriebsvertrag).
Dass Atos seinen Geheimhaltungswillen ausdrücklich geäußert hat und beide Verträge Verschwiegenheitsklauseln enthalten (Ablehnungsbescheid S. 4), steht dem Informationsanspruch des Klägers, wie bereits ausgeführt, nicht entgegen. Der IFG-Anspruch kann nicht durch vertragliche Vereinbarungen umgangen werden.
Ausgehend von den oben dargestellten Darlegungsanforderungen ist auch vorliegend festzustellen, dass das Vorbringen der Beklagten, die Verträge seien in ihrer Gesamtheit nach § 6 S. 2 IFG vom Informationsanspruch ausgenommen, nicht überzeugen kann. Die Beklagte führt zudem aus, dass für den Entwicklungsvertrag auch keine Teilschwärzung nicht in Betracht kommt. Die Vertragsinhalte seien vollumfänglich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (Widerspruchsbescheid S. 3).
Die Beklagte dringt mit dieser Behauptung nicht durch. Der Vortrag der Beklagten ist unpräzise und pauschal. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass jede Seite und jeder Absatz der Verträge Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beinhalten. Die Beklagte hätte, um den Darlegungsanforderungen gerecht zu werden, eventuell geheime von nicht geheimhaltungsbedürftigen Passagen trennen müssen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sämtliche vertragliche Bestimmungen tatsächlich schützenswerte technische oder betriebswirtschaftliche Details enthalten. Beispielsweise können allgemeine Vertragsklauseln oder sonstige Vereinbarungen zu Rechten und Pflichten der Vertragspartner, wie sie für die Gestaltung von Verträgen generell nicht unüblich sind (bspw. Regelungen zu Haftung, Vertragsbeendigung u.ä.) nicht als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gewertet werden.
Die Beklagte hat auch nicht überzeugend dargelegt, welche konkreten Informationen aus welchem Grund einem berechtigten wirtschaftlichen Geheimhaltungsinteresse der Firmen unterliegen. Die Beklagte führt aus:
„Die Offenlegung der gewünschten Informationen wäre geeignet, die Marktposition von Atos nachteilig zu beeinflussen. Wettbewerber, die ebenfalls Lösungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs anbieten oder zukünftig anbieten wollen, könnten diese Informationen bei deren Offenlegung für ihre Zwecke nutzen und Atos so wirtschaftlich erheblichen Schaden zufügen.
(Ablehnungsbescheid vom 28. Februar 2018, S. 4)
Aus dieser pauschalen Aussage wird nicht im Ansatz deutlich, welche konkreten Vertragsinhalte aus welchem Grund infolge der Offenlegung der Unterlagen die Wettbewerbsposition von Atos nachteilig beeinflussen könnten. Es wird nicht deutlich, warum Wettbewerber tatsächlich einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Offenlegung der Verträge ziehen könnten oder warum durch die Veröffentlichung die Verhandlungsposition mit weiteren Auftraggebern schwächen sollte. Eine solche pauschale Aussage kann den Ausschlussgrund nicht begründen, anderenfalls ließe sich mit einer derartigen Argumentation letztlich jeder Vertrag nahezu in Gänze geheim halten (vgl. die Ausführungen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit zum Mautbetreibervertrag „Toll Collect“, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit für die Jahre 2006 und 2007, S. 58). Der Beklagten wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, Informationen, die ggf. konkret schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, zu schwärzen. Dies wäre auch nicht mit einem unverhältnismäßigem Aufwand verbunden gewesen.
cc. Zwischenergebnis
Dezidierte Gründe, dass tatsächlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorliegen, hat die Beklagte nicht dargelegt. Jedenfalls hätte sie dem Kläger einen teilweisen Zugang (Schwärzung) zu jenen Informationen, die keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse darstellen, gewähren müssen.
b. Sonstige Ausschlussgründe
Sonstige Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich.
Entgegen der im Ausgangsbescheid von der Beklagten vorgebrachten Argumentation, stehen dem Informationsanspruch keine vergaberechtlichen Geheimhaltungspflichten entgegen. Ob und inwieweit ein Vergabeverfahren überhaupt durchgeführt worden ist, ist hier nicht relevant.
Der von der Beklagten angebrachte Verweis auf § 14 Abs. 3 VOL/A ist irreführend. Nach den vergaberechtlichen Vorschriften gibt es keine Vorschrift zu Informationsansprüchen nach dem Vergabeverfahren. Zwar sind nach § 14 Abs. 3 VOL/A 2009 die nach Ausschreibungen übermittelten Angebote und ihre Anlagen sowie die Dokumentation über die Angebotsöffnung auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens sorgfältig zu verwahren und vertraulich zu behandeln. Um diese Informationen geht es dem Kläger im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht. Er begehrt Einsicht in die Verträge, nicht in die ursprünglichen Angebotsdokumente.
Die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A) enthält aber keine Aussagen zur Vertraulichkeit des sich aus dem Verfahren ergebenden Vertrags. Eine Kollision zum IFG besteht nicht. Für die Zeit nach Abschluss des Vergabeverfahrens ist das Vergaberecht für die vorliegende Konstellation normativ aussagelos mit der Folge, dass § 1 Abs. 3 IFG keine Sperrwirkung entfalten kann. Die Rechte der betroffenen Unternehmen werden durch § 6 S. 2 IFG geschützt (VG Wiesbaden, Urteil vom 04. September 2015 – 6 K 687/15.WI –, Rn. 30, juris).
3. Ergebnis
Dem Informationsanspruch des Klägers stehen keine Ausschlussgründe entgegen.
C. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist daher Folgendes festzustellen:
1. Die Klage ist zulässig.
2. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht ein im Wege der Verpflich-tungsklage zu verfolgender An¬spruch auf Zugang zu den in seinem Antrag vom 13. Februar 2018 begehrten Informationen zu.
Die Beklagte ist informationspflichtige Stelle i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 1 IFG. Dem Informationsanspruch des Klägers steht nicht der Ausschlussgrund der Be-triebs- und Geschäftsgeheimnisse entgegen. Die Beklagte ist ihren Darle-gungsanforderungen für das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 6 S. 2 IFG des nicht ansatzweise nachgekommen. Die Ausführungen der Beklagten beschränken sich auf pauschale Aussagen. Insbesondere lassen die Darle-gungen nicht erkennen, ob und aus welchen Gründen die infragestehenden Dokumente exklusiv, aktuell sowie betriebs- und wettbewerbsrelevant sind. Vergaberechtliche Geheimhaltungspflichten stehen dem Anspruch nicht ent-gegen.
Die Beklagte verkennt mit der Weigerung, Zugang zu den begehrten Informa-tionen zu gewähren, die ihr obliegenden Rechtspflichten.
Nach alledem ist der Klage stattzugeben.
Wir bitten höflich um eine baldige mündliche Verhandlung.
Eine einfache und eine beglaubigte Abschrift anbei.